Der CAS: So arbeitet der Internationale Sportgerichtshof hinter den Kulissen
- Veröffentlicht: 10.05.2022
- 18:45 Uhr
- Sven Hasselberg
Wegen ihrer weltweiten Sperre haben russische Verbände Klage beim Internationalen Sportgerichtshof CAS eingereicht. Hier erfährst du, wie das wichtigste Schiedsgericht des internationalen Sports mit Hauptsitz in der Schweiz arbeitet, was es für Aufgaben hat und warum es oft in der Kritik steht
Das Wichtigste zum Thema CAS
Ist die Dopingsperre gegen die Athletin oder den Athleten berechtigt? Lief der Transfer der Spielerin oder des Spielers regelkonform? Der Court of Arbitration for Sport (CAS) ist das oberste internationale Schiedsgericht in Fragen des Sports. Es ist kein staatliches Gericht.
Gegründet wurde die Institution 1984 vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) im schweizerischen Lausanne. Neben disziplinarischen Verfahren werden dort vor allem vertragliche Fragen geklärt. 2020 wurden 957 Fälle eingereicht.
Gut 300 Richter und Richterinnen aus 87 Nationen entscheiden am CAS. Da er teilweise vom Internationalen Olympischen Komitee IOC oder Verbänden wie der UEFA finanziert und personell bestückt wird, kommt oft Kritik an seiner Unabhängigkeit auf.
Russische Sportverbände, wie der Fußball- oder Biathlonverband klagen gegen ihre Sperrung bei Turnieren, aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine. Willst du wissen, wie ein Verfahren abläuft, wie bindend das Urteil ist und welche spektakulären Fälle es schon gab? Lies weiter.
Der CAS - Wege zum Recht
Sportlerin und Sportler können sich ebenso an den CAS wenden wie Verbände, Vereine oder Institutionen. Beide Streitparteien müssen mit einem CAS-Verfahren einverstanden sein und erkennen damit das Urteil als bindend an.
Es gibt drei Verfahrensformen: Das gewöhnliche Klageverfahren klärt beispielsweise Fragen zu Regelverstößen. Das Berufungsverfahren greift, wenn Entscheidungen anderer Gremien wie etwa bei einer Dopingsperre durch Verbände, angefochten werden sollen. Außerdem gibt es nicht bindende Mediationen, wenn beide Parteien denken, sie können Ungereimtheiten noch mit einem Vermittler lösen.
Bei den Verfahren sucht sich jede Partei eine Richterin oder einen Richter aus einem Pool von 300 Richter:innen aus. Diese beiden wählen dann eine dritte Richterin oder einen dritten Richter als Vorsitz des Tribunals. Bei Berufungsverfahren wird dieser vom Präsidenten oder von der Präsidentin der Berufungsabteilung gewählt.
Bei Veranstaltungen wie den olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften richtet der CAS ein Büro vor Ort ein, damit dort schnell Entscheidungen gefällt werden können, sollte es beispielsweise einen Dopingfall oder eine Jury-Fehlentscheidung geben.
In wenigen Fällen kann eine Partei vor das Schweizer Bundesgericht ziehen, wenn sie nicht mit dem CAS-Urteil einverstanden ist – zum Beispiel bei Verfahrens-Fehlern oder grober Ungerechtigkeit. Immer wieder kommt es zur Kritik an der fehlenden Unabhängigkeit des CAS. Mehr dazu erfährst du unten.
Diese Streitigkeiten entscheidet der CAS
📗 Regelverstoß: Werden sportliche Regeln verletzt, organisatorische Richtlinien, wie die Einhaltung von Fristen oder Qualifikations-Bestimmungen nicht eingehalten, können solche Fälle vor dem CAS landen. So hatte der Fußballclub Legia Warschau in einem Spiel gegen FC Celtic Glasgow 2014 einen gesperrten Spieler eingewechselt. Legia flog deshalb aus der Champions League. Legia klagte gegen den Rauswurf, verlor aber.
💉 Doping: Im Fall von Dopingmissbrauch drohen Sportlerinnen und Sportlern oft Startverbote in einzelnen Wettbewerben, jahrelange Sperren oder eine Aberkennung der Titel. Sie legen häufig Widerspruch ein und versuchen zu erklären, wie es zu positiven Dopingproben kommen kann. So behauptete die 15-jährige russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa, sie sei durch ein Päckchen Tabletten ihres Opas kontaminiert worden. Der CAS ließ sie bei den Olympischen Spielen 2022 starten.
⚽ Spieler- und Spielerinnentransfer: Sind sich Vereine uneinig über Verträge oder Fristen können sie vor den CAS ziehen. So hatte sich Leeds United 2019/2020 den RB-Leipzig-Spieler Jean-Kevin Augustin geliehen. Nun streiten sich die Clubs, ob durch den Aufstieg von Leeds eine Kaufklausel greift und Leeds eine Ablöse von 21 Millionen Euro zahlen muss.
🛑 Sperrung: Die Internationale Reiterische Vereinigung sperrte 2020 die Vereinigten Arabischen Emirate für einige Turniere. Die dortige Reitervereinigung hatte Turniere als national deklariert, obwohl diese, durch eine bestimmte Anzahl ausländischer Reiter, als international galten. Dann wären sie auch einem anderen Reglement unterlegen. Die Emirate legten Widerspruch ein und scheiterten.
💰 Finanzen und TV-Rechte: Unstimmigkeiten über die Vergabe von TV-Rechten, Sponsorenverträge oder Schadensersatzsummen können vor dem CAS verhandelt werden. So können auch TV-Sender oder Sponsoren vor dem CAS klagen. Willst du wissen, warum der Fußballverein Manchester City wegen Verstoß gegen das Financial Fair Play vor dem CAS landete? Schau dir die Fotos der spektakulären Fälle an.
Spektakuläre Fälle vor Gericht
Der CAS: So arbeitet der Internationale Sportgerichtshof hinter den Kulissen
Kritik am CAS
Immer wieder wird dem CAS fehlende Unabhängigkeit und mangelnde Transparenz vorgeworfen. Kritische Stimmen beanstanden, dass der Pool der 300 Richterinnen und Richter von den Verbänden ernannt wird.
Außerdem könnten Richterinnen und Richter in anderen Fällen auch als Beratende oder Vertretende der Verbände tätig sein. Es stellte sich also die Frage, ob sie in einem Fall so recht sprechen, dass ihnen das Urteil in einem anderen Fall als Argument nutzen könnte. Der CAS dementiert solche Interessenskonflikte.
2018 gab es auch Berichte, dass in der Realität die meisten dieser 300 Personen gar nicht zum Einsatz gekommen seien, sondern ein kleiner "Inner Circle" von 17 Richterinnen und Richtern die Hälfte aller Aufträge erhalten hätte.
Ursprünglich finanzierten das IOC und die Verbände den CAS direkt. Nachdem der Schweizer Bundesgerichtshof 1994 die mangelnde Unabhängigkeit beklagte, gab es eine große Reform. Für die Trägerschaft wurde eine Stiftung eingerichtet. Diese erhält aber ihre Gelder immer noch teilweise vom IOC, den Nationalen Olympischen Komitees oder Verbänden.
Auch die Zuständigkeit des CAS zweifeln Sportlerinnen, Sportler und andere oft an. Einige zogen gleich vor gewöhnliche Gerichte und diese entschieden, ohne die Fälle an den CAS zu verweisen. Ein Brüsseler Berufungsgericht legte 2018 sogar fest, dass der CAS in einer Fußballfrage nicht zuständig sei.
Fünf Fragen zum CAS
Normalerweise müssen die Kosten für die Schiedsrichter und -richterinnen und auch ein Teil der sonstigen Kosten des CAS bezahlt werden. Handelt es sich um ein Berufungsverfahren gegen eine Disziplinarstrafe ist es kostenlos – abgesehen von einer Grundgebühr von rund 975 Euro.
Gewöhnliche Prozesse dauern zwischen einem halben und einem Jahr. Im Falle einer Berufung muss das Urteil drei Monate nachdem die Akte dem CAS übergeben wurde, gefällt werden. Es besteht auch die Möglichkeit von Eilverfahren, in denen beispielsweise ein Ausschluss von einem Wettbewerb kassiert werden kann. Einige Verfahren ziehen sich über Jahre.
Die Prozesse werden auf Englisch oder Französisch geführt. Unter besonderen Umständen kann auch eine andere Sprache bestimmt werden.
Jede Partei kann anwesend sein und hat auch das Recht auf eine öffentliche Anhörung. Wer darauf keinen Wert legt, kann sich durch einen Rechtsbeistand oder jede andere Person vertreten lassen.
Neben dem Hauptsitz in Lausanne (Schweiz) besitzt der CAS Nebenstellen in New York und in Sydney. So müssen die Streitparteien in diesen Teilen der Welt nicht um den halben Globus reisen, um beim CAS vorstellig zu werden.