Gleiches Geld für alle
Bedingungsloses Grundeinkommen: Kann das in Deutschland funktionieren?
- Aktualisiert: 09.01.2024
- 13:31 Uhr
- Bianca Leppert
Faulenzen, Geld kassieren, glücklich sein. Sieht so ein Leben mit bedingungslosem Grundeinkommen aus? Hier erfährst du, was hinter der Idee steckt und wie das Konzept bei uns getestet wird.
Das Wichtigste zum Thema Grundeinkommen
Kurzarbeit, Angst vor Job-Verlust oder der Ruin als Selbstständige:r - bei vielen ist die Furcht vor dem sozialem Abstieg groß. Eine viel diskutierte Lösung: das bedingungslose Grundeinkommen (BGE).
Die Idee: Jeder erhält einen bestimmten monatlichen Betrag - ganz ohne Gegenleistung. Auch wer eigenes Vermögen hat, soll es bekommen. Die Rede ist von etwa 1.000 Euro pro Person.
Dem Bundestag liegen bereits mehrere Petitionen zu dem Thema vor. Laut einer Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung von 2019 befürworten zwischen 45 und 52 Prozent der Befragten ein bedingungsloses Grundeinkommen. Auch im August 2022 zeigte eine repräsentative Compass-Umfrage, dass 53 Prozent der Befragten für die Einführung des BGEs waren, 36 Prozent waren dagegen.
Wie würde sich unser Verhalten durch das Grundeinkommen verändern? Der Verein "Mein Grundeinkommen" startete dazu die erste deutsche Langzeitstudie. Seit dem 1. Juni 2021 bekommen 122 Menschen jeden Monat 1.200 Euro. Die Langzeitstudie endet im Mai 2024.
So könnte das Grundeinkommen aussehen: Drei viel diskutierte Modelle
Geld für alle: Klingt in der Theorie schön! Doch wie funktioniert das in der Praxis? Es gibt unzählige Modelle und Denkansätze. Sollen alle vom Säugling bis zum Rentner das Grundeinkommen erhalten? Wie wird es finanziert? Und welche anderen Sozialleistungen müssen gestrichen werden?
#1: Neues solidarisches Bürgergeld
💡 Ideengeber: Dieter Althaus, ehemaliger Ministerpräsident von Thüringen
Das Konzept: Jede Bürgerin und jeder Bürger bekommt 500 Euro. Daneben gilt der einheitliche Einkommenssteuersatz von 25 Prozent auf alle Einkünfte.
Zieht man 500 Euro von den 25 Prozent der Einkommens-Steuer ab, ergibt sich entweder ein positiver oder negativer Betrag. Ist er negativ, bekommt man ihn ausbezahlt. Ist er positiv, ist das die Steuerschuld.
Leistungen wie die Kosten der Unterkunft oder Aufwendungen für Pflegebedürftigkeit oder für Alleinerziehende sollen weiterhin bestehen bleiben. Dafür fallen Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Kindergeld und Kinderfreibetrag, Elterngeld, Grundsicherung im Alter und BAföG weg.
#2: Emanzipatorisches Grundeinkommen
💡 Ideengeber: Ein Teil der Partei DIE LINKE
Das Konzept: Die Hälfte des Volkseinkommens soll als Grundeinkommen gezahlt werden. Im Jahr 2013 wären das 1.080 Euro für Erwachsene und 540 Euro für Kinder gewesen.
Dazu gibt es eine Grundeinkommens-Abgabe und Steuererhöhungen für Besserverdienende. BAföG, Kinder- und Erziehungsgeld fallen weg. Arbeitslosen-, Pflege- und Krankenversicherung werden als gesetzliche Bürgerversicherung umgestaltet.
#3: Grundeinkommen nach Werner
💡 Ideengeber: Götz Werner, Gründer der Drogeriemarkt-Kette dm
Das Konzept: Ein fester Betrag ist nicht vorgesehen, diskutiert werden oft 1.000 Euro. Es soll eine Konsumsteuer geben und dafür Einkommenssteuer und Lohnsteuer abgeschafft werden, um die Arbeit von Kosten zu befreien. Das soll auch die Produktivität ankurbeln. Sozialleistungen werden bei diesem Modell hinfällig.
Grundeinkommen: Das spricht dafür
💰 Im Beruf kommt es weniger auf den Verdienst an, die eigenen Interessen treten in den Vordergrund. Systemrelevante Jobs, in denen man aktuell wenig verdient, werden attraktiver.
⚖️ Die staatlichen Finanzleistungen werden gerechter verteilt.
📚 Die Bürokratie rund um die Sozialleistungen wird abgebaut und das Steuersystem vereinfacht.
Grundeinkommen: Das spricht dagegen
😴 Vermeintlich hat keiner mehr Lust zu arbeiten, das Nichtstun wird gefeiert.
💶 Die Finanzierung ist nicht einfach zu stemmen und könnte für noch mehr soziale Ungleichheit sorgen.
😧 Die Auswirkungen auf das Renten- und Sozialversicherungs-System sind nicht abzuschätzen.
Wie funktioniert das Grundeinkommen in der Praxis?
In Deutschland gibt es bereits ein Experiment zum Grundeinkommen. Mithilfe von Crowdfunding sammelt der Verein "Mein Grundeinkommen" Spenden.
Sobald 12.000 Euro zusammenkommen, wird die Summe als Grundeinkommen von 1.000 Euro pro Monat verlost. Rund 1.646 Grundeinkommen wurden so schon verteilt (Stand: 9.1.2024). Die Erfahrung des Vereins: Die Gewinner:innen des Grundeinkommens genießen es, mehr Sicherheit zu haben, fühlen sich weniger gestresst und sind gesünder.
Pilotprojekt "Mein Grundeinkommen"
Im Juni 2021 gestartet, läuft das Pilotprojekt noch bis Mai 2024. Insgesamt nehmen 122 Menschen an dem Projekt teil. Offiziell wurden noch keine Ergebnisse veröffentlicht, weil das den Ausgang der Studie beeinflussen könnte. Bisher ist nur so viel bekannt: Die Reaktionen der Teilnehmer:innen auf das Grundeinkommen seien wohl sehr unterschiedlich. Die Forschungsfragen der Studie lauten insbesondere:
- Hören die Menschen mit einem Grundeinkommen wirklich auf zu arbeiten?
- Wie wirkt sich das bedingungslose Grundeinkommen auf den Stress der Menschen aus?
- Nutzen sie die Zeit um sich weiterzubilden?
- Können sie sich entspannter einen neuen Job suchen?
Das Leben mit Grundeinkommen
Das Leben mit Grundeinkommen
Die Finnen haben es schon ausprobiert
In Finnland testete die Regierung mit 2.000 arbeitslosen Menschen über zwei Jahre das Grundeinkommen. Statt dem bisherigen Arbeitslosengeld bekamen sie monatlich 560 Euro. Es gab keine zusätzlichen Auflagen. Auch bei den Behörden mussten sich die Testpersonen nicht melden.
Ergebnis: Die Teilnehmer:innen fühlten sich zwar besser und gesünder, allerdings blieben die meisten von ihnen arbeitslos - das Experiment gilt als gescheitert. Es gab allerdings auch viel Kritik an der Durchführung des Versuchs.
Wer soll das bezahlen?
Die Antworten darauf gehen weit auseinander. Zum Vergleich: 2018 lag das Sozial-Budget in Deutschland bei 996 Milliarden Euro. Dazu zählen sämtliche Geld- und Sachleistungen, selbst erwirtschaftete Renten und geleistete Sozialabgaben.
Würde jede Bundesbürgerin und jeder Bundesbürger 1.000 Euro Grundeinkommen erhalten, wären genau 996 Milliarden im Jahr nötig. Klingt machbar. Allerdings ist die Rechnung etwas komplizierter. Verschiedene Modelle sehen etwa vor, dass manche Sozialleistungen weiterhin gezahlt werden (siehe oben).