Recht
Erbschafts-Steuer: Wie gerecht ist sie eigentlich?
- Veröffentlicht: 10.05.2024
- 05:00 Uhr
- Sven Hasselberg
Wer erbt, zahlt Erbschafts-Steuer. Zumindest vielleicht. Denn es gibt im Deutschland auch Freibeträge und jede Menge Ausnahmen. Viele finden das ungerecht. Was für und gegen die Steuer spricht.
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Erbschafts-Steuer: Das Wichtigste in Kürze
Stirbt ein Mensch und hinterlässt seinen Erb:innen Geld, Immobilien oder ein Unternehmen wird grundsätzlich Erbschafts-Steuer fällig.
Es gibt jedoch große Unterschiede, ob es sich um Betriebsvermögen, also beispielsweise ein Unternehmen oder privates Vererben handelt.
Wie viel Steuer die Erb:innen entrichten müssen, hängt vom Verwandtschaftsgrad ab, ebenso die Höhe der Grundfreibeträge.
Jährlich wird in Deutschland ein Gegenwert von rund 300 bis 400 Milliarden Euro vererbt. Insgesamt zahlen die Erb:innen aber nur rund zehn Milliarden Euro Erbschafts-Steuer.
Was ist die Erbschafts-Steuer und worauf fällt sie an?
In Deutschland gibt es seit 1906 eine einheitliche Erbschafts-Steuer. Diese erhalten die Bundesländer. Die Berechnung erfolgt aber in ganz Deutschland gleich.
Erbschafts-Steuer fällt grundsätzlich auf alles an, was Verstorbene vererben. Handelt es sich dabei aber um ein Unternehmen, oder wie es im Amtsdeutsch heißt Betriebsvermögen, können die Erb:innen 85 bis 100 Prozent der Steuer umgehen. Hierzu müssen sie aber bestimmte Kriterien erfüllen. So müssen sie unter anderem das Unternehmen weiterführen und es darf eine bestimmte Zeit nicht verkauft werden.
Es gibt auch sachliche Steuerbefreiungen. Handelt es sich beim Erbe um Hausrat, also Möbel, Bücher, Kleider, ist dieser, je nach Verwandtschaftsgrad der Erb:innen im Wert von 12.000 bis 41.000 Euro ebenso steuerfrei. Allerdings zählen dazu nicht die Aktien oder das Gold, das sich noch in einer Schublade fand. Auch Schmuck oder die Münzsammlung vzählen nicht zum Hausrat!
Das Eigenheim bleibt ebenfalls steuerfrei, so lange die Witwer:innen oder eingetragenen Lebenspartner:innen darin selbst wohnen bleiben – für mindestens zehn Jahre. Auch Kinder und Enkel, die in direkter Linie erben, weil ihre Eltern ebenfalls bereits verstorben sind, müssen keine Erbschaftsteuer zahlen, wenn das Haus oder die Wohnung nicht größer als 200 Quadratmeter ist und sie selbst mindestens zehn Jahre darin wohnen. Jeder Quadratmeter darüber muss nach dem Schlüssel der Erbschafts-Steuer versteuert werden.
Damit Menschen die Erbschaftsteuer nicht umgehen, indem sie einfach vor ihrem Tod alles verschenken, gibt es die Schenkungs-Steuer. Sie fällt bei verschenktem Vermögen an und wird im Wesentlichen nach dem gleichen Schlüssel wie die Erbschaftsteuer und mit den gleichen Freibeträgen berechnet. Allerdings müssen immer zehn Jahre verstreichen, bis die gleiche Person erneut "beschenkt" werden darf.
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So hoch ist die Erbschafts-Steuer
Je nach Höhe des Erbes, das nach Abzug der Freibeträge noch zu versteuern ist und in welchem Verwandtschaftsgrad die Erb:innen zu den Verstorbenen stehen, kann eine Steuer zwischen 7 und 50 Prozent anfallen.
Die Grundfreibeträge werden wie folgt berechnet:
- Versteuert muss nur das werden, was über dem Freibetrag liegt. Es ist also nicht so, dass beim Überschreiten einer gewissen Grenze auf einmal alles versteuert werden muss.
- Die unterschiedlichen Verwandten und auch Freunde oder juristische Personen sind dabei in Steuerklassen eingeteilt, die einen jeweils anderen Steuersatz zahlen müssen. Eingetragene Lebenspartner:innen sind Ehegatt:innen gleich gesetzt.
- Diese Steuerklassen der Erbschaftssteuer sind nicht mit denen der gewöhnlichen Einkommens-Steuer zu verwechseln! Die drei folgenden Tabellen schlüsseln das für Dich auf.
Grafik: Die Steuerklassen der Erbschafts-Steuer
Erbschafts-Steuer: Steuerklassen, Freibeträge und Steuersätze im Überblick
Erbe: Welche Freibeträge gibt es?
💶 Versorgungs-Freibetrag: Hinterbliebene Gatt:innen, eingetragene Lebensparter:innen, Kinder und Stiefkinder aber auch Enkel, die in direkter Linie erben, also deren Eltern bereits ebenfalls verstorben sind, haben einen gewissen Versorgungs-Freibetrag. Bei den jüngeren Generationen ist er auch vom Alter des Kindes abhängig. Auch hierfür gibt es einen einsehbaren Schlüssel. Dies kann im Höchstfall einen Freibetrag von 256.000 Euro bedeuten. Haben die Hinterbliebenen zum Beispiel nur eine kleine Rente oder ein niedriges Lehrlingsgehalt, soll ihnen das die Versorgung sichern. Wichtig ist, dass sie keine zusätzlichen steuerfreien Versorgungsbezüge wie eine Waisen- oder Witwe:rrente beziehen dürfen.
🪦 Nachlass-Verbindlichkeiten: Nach dem Tod eines Menschen laufen bestimmte Kosten auf. Dazu gehören die Beerdigung, ein Grabstein, aber auch Grabpflege oder Gebühren, die es gilt, bei der Regelung des Erbes zu entrichten. Erb:innen können diese geltend machen und vom Erbe abziehen oder auch eine Pauschale von 10.300 Euro veranschlagen.
💊 Pflege-Freibetrag: Hinterbliebene Gatt:innen, eingetragene Lebenspartner:innen und Kinder, die den oder die Verstorbene vor ihrem Tod gepflegt der bei sich aufgenommen haben, können dies geltend machen. Das kann einen zusätzlichen Freibetrag von maximal 20.000 Euro bedeuten. Das gilt aber nur, wenn die Hinterbliebenen dafür nicht oder geringfügig entlohnt wurden und der Pflege-Freibetrag im Verhältnis als angemessen gesehen wird. Dieser Pflegeaufwand muss dokumentiert sein.
Warum steht die Erbschafts-Steuer in der Kritik?
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung beruft sich auf Zahlen von 2021, nach denen gut zehn Prozent aller erwachsenen Deutschen in den 15 Jahren davor geerbt oder eine größere Schenkung erhalten haben. Im Schnitt erhielt jeder und jede von diesen Menschen 85.000 Euro – in der Theorie. Bei Schenkungen waren es theoretisch sogar 89.000 Euro.
In der Realität erhalten aber zehn Prozent aller Erb:innen in Deutschland die Hälfte des gesamten Vermögens, das im Land vererbt wurde. 90 Prozent müssen sich die andere Hälfte teilen. Die reichsten 20 Prozent der Bevölkerung erhalten danach drei bis viermal so viel Erbe wie die anderen.
Das bedeutet, dass einige Erb:innen unglaublich viel erben, ohne dafür etwas getan zu haben und je nachdem wie dieses Geld gebunden ist, erben sie, ohne viel Steuern zahlen zu müssen – besonders wenn es sich um Betriebsvermögen handelt. Dabei gibt es immer wieder Sonderfälle.
Ein Beispiel: Erbt jemand ein Haus mit 20 Mietparteien von einem Elternteil, ist dies erst einmal ein privates Erbe, das nach Abzug der Freibeträge versteuert werden muss. Erbt jemand über 300 Wohnungen, kann dies als Wohnungsunternehmen geltend gemacht werden und es fiele keine Steuer an. Selbst das Bundesverfassungsgericht und der Bundesfinanzhof haben die Ungerechtigkeit der Erbschaftsteuer kritisiert und angemahnt, es müssen Gesetzesänderungen und Angleichungen vorgenommen werden.
Andere Kritiker:innen finden die jeweiligen Freibeträge zu hoch – auch hier werden meist die 85 bis 100 Prozent bei Betriebsvermögen anvisiert. Andere wiederum finden die Freibeträge bei privaten Vererbungen viel zu niedrig. Das Land Bayern klagt derzeit sogar gegen die letzte Anpassung des Erbschaftsrechts von 2023 beim Bundesverfassungsgericht. Grund sind unter anderem die steigenden Immobilienpreise. Denn die vererbte Immobilie wird nach ihrem Grundwert eingestuft. Daher fordert Bayern nun regionale Unterschiede der Steuer. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder appellierte, eine Gartenlaube im bayerischen Miesbach habe mittlerweile den gleichen Wert wie manche Villa in Greifswald, Mecklenburg-Vorpommern.
Argumente für die Erbschafts-Steuer
Die Verteidiger:innen der Erbschaftsteuer in ihrer heutigen Form schicken bei der möglichen hohen Befreiung des Betriebsvermögens immer wieder die Arbeitsplätze ins Rennen. Würden Unternehmen bei einer Vererbung höher besteuert, würden diese nicht überleben können. Außerdem sagen sie, dass es absolut legitim ist, dass eine Familie, die sich etwas aufgebaut hat, auch das Recht hat, dieses weiterzugeben, ohne dass das Lebenswerk, also die Firma, zerstört wird.