Barriere-Freiheit
Leichte Sprache: Wie einfaches Deutsch Millionen Menschen hilft
- Aktualisiert: 01.02.2024
- 17:00 Uhr
- Sven Hasselberg
Die Leichte Sprache unterstützt unter anderem Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernschwächen, Informationen besser zu verstehen. Hier erfährst du, wie sie funktioniert.
Das Wichtigste zum Thema Leichte Sprache
Die Leichte Sprache ist eine vereinfachte Form der Standard-Sprache und wurde geschaffen, um Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung oder Lernschwächen den Zugang zu Informationen zu erleichtern.
In Deutschland gibt es rund 380.000 geistig behinderte Menschen. Für viele von Ihnen, aber auch für Menschen, deren Muttersprache nicht deutsch ist, für Menschen mit beginnender Demenz oder Menschen mit Leseschwäche ist Leichte Sprache ein Mittel zu aktiverer Teilhabe an der Gesellschaft.
Die Leichte Sprache unterliegt bestimmten Regeln: Sätze sind kurz, auf Fremdwörter wird verzichtet. Es gibt eine Aussage pro Satz. Weitere grammatikalische Regeln oder Regeln für die Typografie findest du unten.
Der Bundestag, das Arbeitsamt, aber auch andere Stellen benutzen inzwischen Leichte Sprache. Sie ist ein wichtiges Mittel zur Inklusion.
Leichte Sprache: Das steckt dahinter
In den USA beschäftigten sich Aktivist:innen bereits seit 1974 mit dem Thema Leichte Sprache. In Deutschland nahm das Thema in den 90er-Jahren Fahrt auf. Inzwischen gibt es Wörterbücher und auch ein Regelwerk.
Der Verein "Netzwerk Leichte Sprache e.V." besteht unter anderem aus Wissenschaftler:innen, Politiker:innen und Vertreter:innen von Behindertenorganisationen. Sie haben gemeinsam ein Regelwerk erarbeitet, aktualisieren dies und bieten Schulungen an. Speziell ausgebildete Übersetzer:innen übersetzen die Alltagssprache in Leichte Sprache. Das Netzwerk hat auch eine Prüfinstanz. Alle Texte in Leichter Sprache müssen von den Prüfer:innen gegengelesen werden. Das sind Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernbehinderung. Sie entscheiden, ob sie den jeweiligen Text verstehen oder ob er noch zu schwer ist. Mittlerweile gibt es auch verschiedene Gütesiegel, die dem Text eine Leichte Sprache bescheinigen.
Die Leichte Sprache sorgt für größere Barrierefreiheit. Das Behinderten-Gleichstellungs-Gesetz von 2002 regelt, dass gerade öffentliche Einrichtungen verpflichtet sind, Informationen vermehrt in Leichter Sprache bereitzustellen. Viele Ämter und auch Unternehmen wie Versicherungen geben schon viele Broschüren und Dokumente in Leichter Sprache heraus. Die folgenden Listen geben dir einen Überblick zu einigen Regeln und zeigen dir, wo es im Alltag bereits Informationen in Leichter Sprache zu finden gibt.
Leichte Sprache: einige Regeln in Kürze
🗣 Allgemein: Grundsätzlich sollen Sätze kurz sein. Die Faustregel heißt bis circa acht Wörter. Auf Abkürzungen, Fremd- und Fachwörter oder Metaphern wird verzichtet. Einfache Wörter benutzen. Als Beispiel gibt die Lebenshilfe an: "erlauben" statt "genehmigen". Schwere Wörter müssen immer erklärt werden. Willst du weitere Regeln kennenlernen? Eine gute Übersicht findest du hier (pdf Download).
👩💻 Grammatik: Sätze halten sich an die Reihenfolge Subjekt, Prädikat, Objekt. Auf den Genitiv, "Das Brot des Bäckers", wird verzichtet. Stattdessen schreibt man: "Das Brot vom Bäcker" oder "Das Brot von dem Bäcker". Der Konjunktiv wird vermieden. Aus "Morgen könnte es regnen" wird: "Morgen regnet es vielleicht."
📝 Rechtschreibung: Lange Wörter und zusammengesetzte Wörter werden mit einem Bindestrich gekoppelt. Also zum Beispiel: "Rasen-Mäher" oder "Fach-Leute". Hohe Zahlen oder Prozentzahlen werden einfach mit "viele Menschen" ersetzt. Auch Jahreszahlen, die lange her sind, werden mit "Vor langer Zeit" oder mit "Vor mehr als 100 Jahren" ersetzt. Zahlen bis zwölf werden in Ziffern geschrieben. Wörter am Ende der Zeile nie trennen.
📃 Inhalt: Pro Satz immer nur eine Aussage tätigen. Die Sinn-Einheiten immer im gleichen Abschnitt klären, also alles beisammen schreiben, was an Informationen zusammengehört. Nicht etwa auf Stellen später im Text oder folgende Seiten verweisen. Schwierige Sachverhalte werden auch gerne mit einem zusätzlichen Beispiel erklärt. Die Texte in viele Absätze mit vielen Überschriften gliedern.
🖨 Typographie: Jeder Satz sollte in einer neuen Zeile stehen. Klare Schriftbilder verwenden, auf keinen Fall eine Schnörkel-Schrift oder eine kursive Schrift. Große Schriftgrößen verwenden, gerne eine 18 statt der üblichen 12. Auch ein 1,5-facher Zeilenabstand hilft der besseren Lesbarkeit.
📸 Bilder und Layout: Um die Texte zu veranschaulichen, sind oft Bilder oder Piktogramme beigefügt. Sie müssen passend, eindeutig und scharf sein. Wichtig ist auch, dass Text und Bild getrennt nebeneinanderstehen und der Deutlichkeit wegen nicht ineinanderfließen. Es sollte stets dunkle Schrift auf hellem Untergrund verwendet werden.
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Leichte Sprache: Hier findest du sie im Alltag
🧑💼 Politik: Viele Parteien, Gemeindeverwaltungen und sogar der Bundestag haben auf ihren Webseiten Informationen in Leichter Sprache.
🏢 Ämter: Sei es das Sozialamt, das Arbeitsamt oder das Jugendamt – viele Ämter bieten Onlinedienste bis hin zu Dokumenten, Broschüren und sogar Anträge in Leichter Sprache an, oder zumindest Erläuterungen dazu.
🤝 Soziales: Gerade im Bereich der Familienberatung und -planung gibt es mittlerweile einige Angebote in Leichter Sprache. Auch Frauenhäuser, andere Zufluchtsorte wie Jugendhilfen, Obdachloseneinrichtungen oder verschiedene Flüchtlingseinrichtungen übersetzen ihre Texte in Leichte Sprache. Kirchen und Religionsgemeinschaften informieren in Leichter Sprache ebenso wie Bildungseinrichtungen oder Freizeiteinrichtungen wie Jugend- oder Seniorentreffs.
🩺 Gesundheit: Einige Krankenhäuser, aber auch Ärzt:innen oder Krankenversicherungen bieten Webseiten oder Infomaterial mit Texten in Leichter Sprache an. Auch Pflege- oder Reha-Einrichtungen sowie Interessensvertretungen für Patient:innen halten so Informationen bereit. Gruppen zur Suchtbekämpfung oder -prävention setzen ebenfalls schon auf die Informationen in Leichter Sprache. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stellt sich ebenfalls in Leichter Sprache vor.
🎭 Kultur: Es gibt bereits Romane oder Bände mit Erzählungen und Kochbücher, die in Leichter Sprache geschrieben sind. Vereinzelt gab es auch schon angepasste Theater-Inszenierungen. In manchen Museen sind einzelne Erklärungen für Ausstellungen ebenfalls in Leichter Sprache abrufbar. Allerdings sind das meist einzelne Leuchtturmprojekte und nicht die Regel.
Leichte Sprache und Einfache Sprache: der Unterschied
Neben der Leichten Sprache gibt es auch die Einfache Sprache. Oft werden beide Ausdrücke nicht unterschieden. Das kann verwirrend sein und manchmal sind die Grenzen fließend. Bei der Einfachen Sprache können Sätzen bis zu 15 Wörter oder mehr umfassen. Bei der Leichten Sprache sind es nur acht Wörter pro Satz. Leichte Sprache besitzt ein dezidiertes Regelwerk. Das besitzt die Einfache Sprache nicht. Hier geben sich die Verfasser:innen wirklich nur Mühe, einen Text einfacher zu gestalten. Beim Lesen ähnelt dieser daher noch viel mehr der Standardsprache. Ein Text in Leichter Sprache unterscheidet sich für Leser:innen jedoch deutlich.
Außerdem erfolgt für die Leichte Sprache eine eigene Prüfung durch geistig- oder lernbehinderten Prüfer:innen. Das entfällt bei der Einfachen Sprache. Die Einfache Sprache steht zwischen der Standardsprache und der Leichten Sprache, was die Komplexität betrifft.
Leichte Sprache senkt Barrieren
Hier erklärt die Lebenshilfe Lüdenscheid die Leichte Sprache nochmals kurz in einem Video.
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