Unterwasserhelden Schwämme: Die Meerestiere können sogar Krankheiten heilen
- Veröffentlicht: 23.05.2022
- 08:45 Uhr
- Chris Tomas
Es gab sie lange vor den Dinosauriern und sie sind echte Alleskönner: Schwämme filtern nicht nur das Meerwasser, sondern heilen auch Krankheiten. Bis in unsere Badezimmer haben es die Tiere geschafft. Im Clip: Wie ein Küchenschwamm entsteht.
Schwämme: Die wichtigsten Fakten
Früher hielt man Schwämme für Pflanzen. Erst im 19. Jahrhundert entdeckten Forschende unter dem Mikroskop, dass es sich dabei um Tiere handelt, die sich von Plankton und Bakterien ernähren. Sie gehören zur Gruppe der Gewebelosen.
Man unterscheidet Hornkiesel-Schwämme (die am weitesten verbreitete Klasse, lebt auch im Süßwasser), Kalk-Schwämme (besonders in flachen tropischen Gewässern zu finden) und Glas-Schwämme (leben im tiefen Meer).
Schwämme gibt es in den unterschiedlichsten Farben und Formen. Manche sehen aus wie Röhren oder Fässer, andere wie Kissen oder Seile. Besonders faszinierende Exemplare siehst du unten in unserer Bildergalerie.
Schwämme sind simpel aufgebaut. Ihr Körper besteht aus einem System aus Kammern und Kanälen. Geißelzellen wedeln Wasser hindurch. Halt gibt ein Skelett aus Kalk, Kieselsäure oder kollagenartigen Fasern. Schwämme haben weder Gehirn noch Organe, Nerven oder Muskeln.
Schwämme sind Überlebenskünstler. Selbst in der Tiefsee und im Polarmeer finden sich noch Exemplare. Reißt von einem Schwamm ein Stück ab, wächst daraus ein neuer.
Der Schwamm-Steckbrief
Name: Schwämme
Wissenschaftlicher Name: Porifera (lateinisch: „Porentragende")
Klassen: Hornkieselschwämme, Kalkschwämme, Glasschwämme
Vielfalt: Ca. 8.000 Schwamm-Arten, wahrscheinlich gibt es sogar viele mehr
Farbe: manche sind knallig bunt, andere unauffällig grau-braun
Form: große Formenvielfalt (siehe auch unsere Bildergalerie)
Alter: Bis zu mehreren Tausend Jahren
Größe: Zwei Millimeter bis über drei Meter. Bei Hawaii entdeckten Taucher:innen 2015 einen Schwamm groß wie ein Auto
Nahrung: Herangewedelte Partikel und Kleinstlebewesen; manche Arten ernähren sich von anderen Tieren
Lebensraum: Alle Weltmeere; wenige Arten leben auch in Seen und Flüssen
Feinde: Kaum, nur die Pazifische Karettschildkröte, Meeresschnecken und einige Fische
Ist ein Schwamm das älteste Tier der Welt?
Viele Tiere erreichen ein biblisches Alter. So kann ein Grönlandhai 400 Jahre alt werden, und die Aldabra-Riesenschildkröte "Adwaita" brachte es auf 256 Jahre. Doch das ist nichts im Vergleich zu Schwämmen. Der Riesenschwamm Anoxycalyx joubini lebt in der Antarktis und hat bereits mehr als 10.000 Jahre auf dem Buckel. Das haben Forschende herausgefunden, indem sie seinen Sauerstoff-Verbrauch maßen. Je älter ein Tier, desto langsamer der Stoffwechsel und desto geringer der Verbrauch, so die Annahme der Forschenden.
Schwämme gibt es übrigens länger auf unserem Planeten als alle anderen Tiere. Auf der Evolutionsskala entwickelten sie sich gleich nach den Ur-Lebewesen. Das war vor etwa 560 bis 700 Millionen Jahren - Wissenschaftler:innen arbeiten noch an einer genaueren Zahl. Zum Vergleich: Die Dinosaurier entstanden vor etwa 245 Millionen Jahren, der Mensch erst vor mickrigen 300.000 Jahren.
Fun Facts über Schwämme
🏃 Schwämme können laufen: In der Stuttgarter Wilhelma lebt ein Weißer Kugelschwamm, der sich mit zwei bis vier Millimetern pro Stunde vorwärtsbewegt.
🤔 Wie Schwämme ohne Bewegungs-Apparat von einem Ort zum anderen kommen, ist unklar - wahrscheinlich, indem sie sich ausdehnen und wieder zusammenziehen.
📷 Unterwasser-Aufnahmen aus der Arktis zeigen Kriechspuren, die wahrscheinlich von Schwämmen stammen und sogar bergauf gehen.
🙌 Meister der Auferstehung: Wird ein Schwamm durch ein Sieb gedrückt, fügt er sich danach selbst wieder zusammen. Das kann kein anderes Tier. Er braucht dafür nur ein paar Stunden.
🎓 Die Wissenschaft von Schwämmen heißt Spongiologie.
🤧 Glasschwämme "niesen", wohl um sich von Schmutz-Ansammlungen zu befreien. Das haben Aufnahmen im Zeitraffer gezeigt. Ein Nieser dauert zwischen einigen Stunden und mehreren Wochen.
In diesem Video niest ein Schwamm
Externer Inhalt
Noch mehr Fun Facts über Schwämme
🏞 Nur wenige Schwamm-Arten leben im Süßwasser. Besonders verbreitet ist der Geweihschwamm. Ein großes Exemplar wurde im bayerischen Staffelsee entdeckt. Dort wächst es an den Pfählen des ehemaligen Stegs.
🛁 Ähnlich einer Kläranlage filtern Schwämme große Mengen Wasser. Sie tragen damit dazu bei, Gewässer sauber zu halten. Ein fußballgroßer Schwamm pumpt jeden Tag eine Tonne Wasser durch sich hindurch. Das sind etwa fünf Badewannen voll.
🐬 Delfine missbrauchen Schwämme als Schutzpolster. Sie reißen einen Schwamm aus und schieben ihn sich über die Schnauze, wenn sie auf dem Boden nach Nahrung wühlen. Man nennt diese Technik "Sponging".
🔧 Neben Korallen können auch Schwämme Riffe bilden. Das riesige Amazonasriff zum Beispiel besteht aus Schwämmen und Kalkalgen.
🏨 Hotel Schwamm: Schwämme bieten vielen anderen Tieren und Kleinstlebewesen einen geschützten Unterschlupf, darunter Krebse, Würmer und Fische.
🧽 Der wohl berühmteste Meeres-Schwamm ist die Nickelodeon-Figur Spongebob Schwammkopf. 2021 entdeckte ein US-amerikanischer Forscher einen echten Schwamm, der ihm verblüffend ähnlich sieht.
So schützen sich Schwämme
Um unerwünschte Eindringlinge fernzuhalten, bilden Schwämme verschiedene Abwehrstoffe. Dieser individuelle Cocktail ist quasi ihr Immunsystem und schützt die Schwämme davor, gefressen oder von Bakterien oder Pilzen besiedelt zu werden.
So nutzt die Forschung diese Erkenntnis
Manche dieser chemischen Verbindungen sind daher für die Medizin interessant, denn sie wirken zum Beispiel antiviral, antibakteriell oder entzündungshemmend. Forschende hoffen, dass sie auch gegen Krebs, HIV oder antibiotikaresistente Keime helfen könnten. Ein Medikament ist sogar schon im Handel, dessen Wirkstoff aus Schwämmen gewonnen wurde: eine Salbe gegen Herpes.
Ofenrohr, Elefantenohr, Gießkanne: Faszinierende Schwamm-Arten
Unterwasserhelden Schwämme: Die Meerestiere können sogar Krankheiten heilen
Wie wird aus einem Schwamm ein Bade-Utensil?
Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass sie einen tierischen Mitbewohner zu Hause haben: Badeschwämme sind die Überbleibsel eines Hornschwamm-Skeletts. Hornschwämme haben ein Skelett aus Spongin, einer weichen, kollagenartigen Faser. Gereinigt und getrocknet, lässt sich das prima als Reinigungs-Werkzeug benutzen. Auch weil sich ein Schwamm so gut vollsaugt: Er kann das 30-fache seines eigenen Gewichts an Wasser aufnehmen.
Solche Badeschwämme kamen schon in der Antike zum Einsatz. Tauch-Profis holten die Schwämme aus dem Meer. Erntet man nur ein Stück vom Schwamm und reißt ihn nicht heraus, kann ein neuer Schwamm nachwachsen. Heute werden Schwämme vermehrt in Aquakulturen gezüchtet.
Häufige Fragen zu Schwämmen
Schwämme sind vielzellige Tiere. Früher hielt man sie für Pflanzen. Ihr Aufbau, ihre Ernährung und die Art der Fortpflanzung klassifizieren sie jedoch als Tiere.
Den größten bisher bekannten Schwamm entdeckten Taucher:innen auf Hawaii. Er misst über dreieinhalb Meter Länge und zwei Meter Breite.
Der Riesenschwamm Anoxycalyx joubini lebt in der Antarktis und ist über 10.000 Jahre alt. Damit ist er wahrscheinlich das älteste Tier der Welt.
Bisher wurden über 8000 Schwamm-Arten klassifiziert. Möglicherweise gibt es aber noch viele mehr, denn Schwämme leben auch in der unzugänglichen Tiefsee.
Schwämme finden sich in allen Meeren der Welt, auch im Eismeer und in der Tiefsee. Einige Arten wachsen sogar im Süßwasser, also in Seen und Flüssen.
Schwämme haben unterschiedliche Ernährungsstrategien. Die einen filtern Kleinstlebewesen aus dem Wasser, das sie mithilfe von Geißelzellen Wasser durch ihre Poren hindurchwedeln. Andere leben in Symbiose mit Bakterien und ernähren sich von deren Stoffwechselprodukten. Raubschwämme fangen ihre Beute mit Haken.
Manche Schwämme vermehren sich, indem sie Spermien ins Wasser pumpen, die dann zu anderen Schwämmen getragen werden und dort auf Eier treffen. Aus der Larve erwächst ein neuer Schwamm. Andere Schwämme vermehren sich asexuell: Sie bilden Knospen, die irgendwann abfallen und zu einem neuen Schwamm heranwachsen.
Ein Naturschwamm ist ein Tier und damit ein tierisches Produkt. Badeschwämme sind daher nicht vegan. Natürliche Alternativen sind Schwämme aus Luffa (ein Kürbisgewächs) oder der Konjak-Pflanze.