Tödliches Darmbakterium: Was wurde eigentlich aus EHEC?
- Veröffentlicht: 20.05.2022
- 08:45 Uhr
- Galileo
Bereits vor zehn Jahren kämpfte Deutschland schon einmal gegen einen unsichtbaren Feind. Sein Name: EHEC. Etwa 3800 Menschen infizierten sich damals mit dem Darmbakterium, 53 starben. Wie der Krankheitserreger gestoppt wurde, erfährst du hier. Im Clip: Darum war EHEC so gefährlich.
Das Wichtigste zum Thema EHEC
Die Abkürzung EHEC steht für enterohämorrhagisches Escherichia coli.
Diese Bakterien befinden sich im Darm von Wiederkäuern, also von Rindern, Schafen, Ziegen, Rehen oder Hirschen.
Dort produzieren sie Giftstoffe (Shigatoxine), die für die Tiere ungefährlich sind.
Die Übertragung auf Menschen kommt immer wieder vor und verläuft überwiegend harmlos.
Der EHEC-Erreger namens O104:H4 von 2011 war allerdings besonders aggressiv und hatte schwere Komplikationen zur Folge.
Wir erklären dir, warum, was die Wissenschaftler damals wunderte und ob die EHEC-Gefahr wirklich vorbei ist.
EHEC in Deutschland: ein Rückblick
Anfang Mai 2011 erkrankte in Deutschland die erste Frau an einem sehr aggressiven EHEC-Keim. Innerhalb von nur sieben Wochen stieg die Zahl der Betroffenen auf über 3.800. Im Gegensatz zu den üblichen Beschwerden entwickelten 855 Menschen zum Teil lebensgefährliche Komplikationen, etliche mussten auf die Intensivstation. 53 von ihnen starben sogar.
EHEC und die Suche nach der Ursache
Wie bei Corona wurde auch damals fieberhaft nach der Ursache gesucht. Im Verdacht standen schnell und immer wieder verschiedene Gemüse-Sorten, da diese oft mit Tierdung gedüngt werden. Zuletzt: Gurken aus Spanien. Auch in Deutschland brach der Absatz für Salat, Tomaten und Gurken aus Verunsicherung massiv ein.
EHEC und der weltweite finanzielle Schaden
Viele Bauern mussten erhebliche Umsatz-Einbußen hinnehmen oder gerieten sogar in existenzielle Schwierigkeiten. Der Verband der Gemüsebauern in Deutschland bezifferte den Schaden auf bis zu einer Million Euro pro Tag. Parallel musste das unverkäufliche Gemüse vernichtet oder untergepflügt werden. In Niedersachsen waren das schon 2.500 Tonnen. Die EU-Kommission schätzte allein die Einnahmeausfälle in der EU auf 800 Millionen, weltweit wird der EHEC-Erreger einen Schaden von rund 1,6 Milliarden Euro verursacht haben.
Der wahrscheinliche EHEC-Auslöser
Nach der Untersuchung durch das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) kam heraus: Auslöser waren weder spanische noch deutsche Gurken oder Tomaten. In den Fokus rückten ägyptische Bockshorn-Klee-Samen sowie deren Keime und Sprossen, die oft als Topping auf Salate gegeben werden.
Die Einfuhr der entsprechenden Sprossen wird verbot und sowohl europäische Behörden als auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor dem Verzehr roher Sprossen. Später wird die Warnung auf Sprossen aus Ägypten beschränkt.
Das Ende von EHEC
Am 26. Juli 2011 erklärte das Robert Koch-Institut (RKI) den EHEC-Ausbruch für beendet. Bis heute konnte nicht abschließend geklärt werden, ob die ägyptischen Bockshorn-Kleesamen tatsächlich der Auslöser waren.
HUS: Diese Komplikation machte EHEC so gefährlich
Neben den schweren und blutigen Durchfällen führte das EHEC-Bakterium von 2011 zu einer schwersten Begleiterscheinung namens Hämolytisch-Urämische Syndrom, kurz: HUS. Das richtet HUS im Körper an:
🩸 Rote Blutkörperchen werden zerstört. In Folge kommt es zu einer Blutarmut, die mit großer Abgeschlagenheit, Schwindel, Kopfschmerzen, Atemnot, Herzklopfen und blasser Haut einhergehen kann.
🏥 Zudem führt HUS zu einer Schädigung der Nieren. Erkrankte müssen zeitweise an die Dialyse.
🧠 In noch schweren Fällen treten auch Hirnödeme und Lähmungserscheinungen auf.
🪦 Etwa drei bis fünf Prozent aller HUS-Patient:innen sterben.
Das überraschte Mediziner:innen am EHEC-Ausbruch
👶 In der Regel betreffen Durchfallerkrankungen vor allem Kindern und ältere Menschen.
👄 Kinder, weil sie häufig Kontakt mit anderen Kindern haben, viel in den Mund stecken und das Händewaschen manchmal nicht ganz genau nehmen.
👴 Senior:innen, weil ihr Immunsystem tendenziell schwächer ist und Krankheitserreger nicht mehr so effektiv abwehren kann.
🧑 An EHEC erkrankten 2011 jedoch vor allem jüngere Frauen und Frauen im mittleren Alter. Auffallend viele aus Hamburg. Warum ist bis heute nicht abschließend geklärt. Einige aßen Gerichte mit Sprossen in einem Hamburger Restaurant.
So schützt du dich vor EHEC
🐂 Wenn du Kontakt zu Rindern, Schafen oder Ziegen hast, bitte im Anschluss gründlich die Hände mit Seife und warmen Wasser waschen. Versuche in der Zwischenzeit nicht mit den Händen deinen Mund zu berühren, zu essen oder zu trinken.
🥬 Gemüse, Sprossen und Keime vor dem Verzehr gründlich abwaschen.
🥛 Trinke keine Rohmilch und iss kein rohes Fleisch oder nur im absolut frischen Zustand. Besser: Fleisch und Fisch vor dem Essen durchbraten.
🪣 Reinige Küche und Bad regelmäßig.
🖐 Halte Abstand zu Menschen, die an EHEC erkrankt sind.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu EHEC
Ja. Jedes Jahr werden dem Robert Koch-Institut (RKI) bundesweit etwa 1.000 neue Infektionen gemeldet.
In der Regel erkranken überwiegend Kinder und ältere Menschen an bakteriellen Infektionen und Durchfallerkrankungen. Erstere, weil sie noch viel in den Mund nehmen, Letztere weil ihr Immunsystem oft schwächer wird und Krankheits-Erreger schlechter abwehren kann. Beim Ausbruch von 2011 erkrankten jedoch verstärkt junge und Frauen im mittleren Alter.
Meistens infizieren sich Menschen über nicht erhitzte Lebensmittel wie rohes Fleisch oder ungekochte Milch. Auch auf mit Fäkalien gedüngtem Gemüse und Sprossen finden sich hin- und wieder EHEC-Bakterien. Allerdings handelte es sich bei dem Krankheitserreger von 2011 um eine extrem aggressive Form.
Von der Ansteckung bis zum Ausbruch dauert es im Schnitt drei bis vier Tage.
Kommt es zu einer direkten oder indirekten Aufnahme mit durch EHEC-belastete Fäkalspuren, löst der Erreger beim Menschen unterschiedliche Symptome aus. Manche bemerken die Infektion gar nicht. Viele leiden unter Durchfällen, aber auch Übelkeit, Erbrechen und Bauchweh. Zehn bis 20 Prozent leiden jedoch unter schweren blutigem Durchfall, Fieber und Bauchkrämpfen. In seltenen Fällen kann es zu lebensbedrohlichen Komplikationen durch das Hämolytisch-Urämische Syndrom (HUS) kommen. Wie 2011.
Das Hämolytisch-Urämische Syndrom führt zu einer Schädigung der Blutgefäße und der Zerstörung von roten Blutkörperchen. Erkrankte leiden als Folge unter einer Blutarmut (Anämie) mit starker Abgeschlagenheit und Erschöpfung. Auch die Nieren können in Mitleidenschaft gezogen werden und ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen. Deshalb müssen Betroffene unter Umständen temporär an die Dialyse. HUS-Patient:innen werden zur Sicherheit auf der Intensivstation überwacht.
Mittels einer Probe wird in einem Labor untersucht, ob sich EHEC-Bakterien im Stuhl befinden. Um HUS auszuschließen, wird noch eine Blutuntersuchung durchgeführt und die Anzahl der roten Blutkörperchen und Plättchen untersucht sowie die Funktionalität der Nieren überprüft.
Da es keine speziellen Medikamente gegen EHEC gibt, werden die Beschwerden symptomatisch behandelt. Der starke Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlust durch den Durchfall wird beispielsweise durch Infusionen ausgeglichen. Zudem erhalten erkrankte Personen bei Bedarf schmerz- und fiebersenkende Mittel.
Da es sich EHEC um eine bakterielle Infektion handelt, liegt die Vermutung nahe. Doch in der Praxis hat sich gezeigt, dass sie die Ausscheidung der Bakterien verlängern und die Giftbildung im Körper verstärken. Daher werden keine Antibiotika gegeben.
Aufgrund der potenziellen gefährlichen Komplikationen wie Nierenversagen wird HUS immer intensivmedizinisch behandelt. Bei schweren Verläufen müssen Betroffene an die Dialyse oder das Blutplasma gereinigt werden.