Deutsche Space Force: Die Bundeswehr geht jetzt auch im All auf Patrouille
- Veröffentlicht: 28.11.2020
- 12:00 Uhr
- Peter Schneider
Mit dem neuen Weltraum-Operationszentrum der Bundeswehr sollen Satelliten vor Kollisionen und sogar Angriffen geschützt werden.
Das Wichtigste zum Thema Weltraumoperationszentren
Mit einem neuen Operationszentrum in Uedem (NRW) will die Bundeswehr die Flugbahnen von Satelliten und Weltraumschrott überwachen. Ziel: Die eigenen Satelliten vor Angriffen und Kollisionen schützen.
Die aktuell 50 und zukünftig 150 Soldaten der Luftwaffe werden dafür das All per Radar vom Computer aus überwachen.
Das ist auch nötig, denn die Zahl der Satelliten wird sich in den kommenden Jahren mehr als verdoppeln. Außerdem haben viele Staaten bereits Anti-Satellitenwaffen getestet.
Auch andere Länder bauen auf militärische Präsenz im Weltraum. Die US-Regierung gründete sogar die Space Forces ("Raumkräfte") als eigene Teil-Streitmacht.
Ein russischer Satellit manövrierte sich Anfang des Jahres verdächtig nah an einen US-Spionage-Satelliten heran. Das könnte in Zukunft häufiger passieren, so US-Militärs. Sie fürchten, ein Gegner könnte Daten abzapfen oder die Satelliten gleich kapern.
Die Angst der Militärs: Weltraumschrott im Erdorbit
Hunderttausende Schrott-Teile umkreisen die Erde - teilweise für Hunderte und Tausende Jahre.
Externer Inhalt
Die deutschen Pläne für den Ernstfall im All
Problem Weltraummüll: Hunderttausende Trümmerstücke rasen mit wahnwitzigen 28.000 km/h um die Erde - eine ständige Gefahr für jedes Raumfahrzeug. 2009 prallten ein russischer und ein US-Satellit aufeinander, beide wurden vollständig zerstört.
Bei Kollisionsgefahr könnte das "Air and Space Operations Center" (ASOC) der Bundeswehr die Satellitenbetreiber anweisen, ein Ausweichmanöver zu fliegen.
Die USA führen eine Liste mit Objekten auf erdnahen Umlaufbahnen. Geheime US-Satelliten werden darin aber nicht angegeben. Mit dem Operationszentrum könnte die Bundeswehr sie jetzt selbstständig orten.
Die Space-Späher sollen zudem das Weltraumwetter überwachen und Satelliten im Krisenfall in den Sicherheitsmodus versetzen. Sonnenstürme beispielsweise können Satelliten quasi "abschalten".
Die US Space Forces wollen ihre Satelliten auch aktiv verteidigen - beispielsweise mit Anti-Satelliten-Waffen. Die Bundeswehr wird dagegen nur beobachten und ihre Satelliten im Notfall umleiten.
Das neue Radar-Spielzeug der Bundeswehr
Deutschlands Weltraum-High-Tech
Das Operationszentrum in Uedem nutzt die Daten von 2 High-Tech-Radar-Anlagen, um den Erdorbit zu scannen. Beide sind aber nicht direkt vor Ort, sondern jeweils mehr als 100 Kilometer entfernt.
Das Weltraumbeobachtungsradar TIRA in Wachtberg bei Bonn überwacht Lage und Bahn von bekannten Flugkörpern in erdnahen Umlaufbahnen. Der bewegliche Teil des Radars wiegt 240 Tonnen. Es wird von einer weißen Schutzkugel ("Radom") von fast 50 Meter Durchmesser geschützt.
Ein weiteres, brandneues Radarsystem - GESTRA - spürt Flugkörper im All auf. Das nur etwa 2 Container große GESTRA steht auf dem Militärgelände Schmidtenhöhe bei Koblenz. Es lässt sich aber abbauen und an einen anderen Ort transportieren.
Die Bundeswehr spioniert auch selbst: Sie betreibt insgesamt 16 Satelliten. Die 5 LUPE-Kleinsatelliten beispielsweise machen Radarbilder von allen Orten der Erdkugel. Auf ihnen lassen sich sogar 50 Zentimeter kleine Gegenstände erkennen. Pikant: Die Späher wurden auf russischen Träger-Raketen ins All geschossen.
Das Nachfolge-System SARah mit 3 Satelliten soll noch dieses Jahr, spätestens aber 2021 starten - auf US-Falcon-Raketen. Kostenpunkt: Etwa 800 Millionen Euro. Ein Schnäppchen in der Welt der Spionage-Satelliten.
Geheimer Raumgleiter
Bleibt es friedlich im All?
🕊️ Im Weltraumvertrag von 1967 einigten sich die damaligen Supermächte USA und Sowjetunion sowie zahlreiche andere Staaten darauf, den Weltraum friedlich zu nutzen. Ein Deal mit Weitblick: Denn damals steckte die Raumfahrt noch in den Kinderschuhen, und "Star Wars" waren gar nicht möglich.
💸 Spionage-Satelliten wären ein begehrtes Ziel: Sie auszuschalten bedeutet, den militärischen Gegner quasi blind zu machen. Die modernsten US-Späher kosten nicht nur mehrere Milliarden US-Dollar, es würde auch Jahre dauern, sie zu ersetzen.
👨🏻🤝👨🏼 Täuschungsmanöver per Matrjoschka-Taktik: Das russische Militär hat offenbar versucht, die Amerikaner zu überlisten. Nach dem Start teilte sich ein russischer Satellit in einen großen und kleinen Teil. Der kleinere schlich sich dann bis auf etwa 150 Kilometer an einen US-Spionage-Satelliten heran.
👩🚀 Vorerst wollen die USA keine Soldaten ins All schicken. Man könne sich nur als Astronaut bei der NASA bewerben, so US-General David Thomspon, Vize-Chef der Space Forces.
🏭 In Friedenszeiten will keine größere Macht die Satelliten-Kommunikation stören. Ohne die Relais-Stationen im All würden weite Teile der Weltwirtschaft inklusive Zahlungsverkehr zusammenbrechen. Daran haben auch China und Russland kein Interesse.
Militärisches Imponiergehabe im All - und seine Folgen
Der Kampf der Supermächte im Weltraum tobt schon länger - bisher aber nur als Machtdemonstration. Bereits 1985 schossen die USA einen ausgedienten Satelliten mit einer Rakete ab.
Anfang 2007 verschrottete China einen alten Wettersatelliten auf die gleiche Weise. Die Explosion hinterließ jede Menge Weltraumschrott mit etwa 40.000 Teilen von bis zu 10 Zentimeter Größe und Millionen millimetergroßer Partikel.
Ein Großteil zieht nun in etwa 800 Kilometer Höhe vielleicht für Jahrhunderte als rasende Mikro-Geschoss-Wolke um die Erde. Tatsächlich soll eines der chinesischen Trümmerstücke einen russischen Satelliten getroffen und ausgeschaltet haben.