"Jenke. Das Shopping-Experiment": Online-Shopping-Retouren - Passt nicht? Macht nichts! Oder doch?
- Veröffentlicht: 30.08.2021
- 12:06 Uhr
- ch
Wer in einem Laden mit einem Haufen Kleidung auf dem Arm in eine Kabine geht, wandert oft nur mit einem kleinen Teil davon zur Kasse. Beim Online-Shopping mit der Anprobe zuhause ist das oft genauso - hat aber weitreichende Folgen.
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Nicht nur im Fashion-Bereich, auch bei Elektronik und anderen Online-Bestellungen sind die Retourenzahlen hoch. Seit einigen Jahren wird verstärkt über die wirtschaftlichen und Umwelt-Folgen von Shopping-Retouren diskutiert.
Wissenschaftler der Universität Bamberg hatten 2018 ermittelt, dass die Deutschen bei Internet-Bestellungen jedes sechste Paket zurückschicken. 2018 waren das 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel. Besonders extrem war das Verhältnis bei Mode-Bestellungen: Von georderter Kleidung und Schuhen ging fast die Hälfte der Pakete zurück an den Absender. Dabei schickten Frauen häufiger zurück als Männer.
Teuer für die Unternehmen – und die Umwelt
Ein retournierter Artikel verursacht im Durchschnitt Kosten in Höhe von 11,24 Euro, so eine Umfrage. Dafür sind Versandkosten verantwortlich, aber auch der Wertverlust bei Artikeln, die sich nicht mehr als A-Ware verkaufen lassen, sowie die Identifikation, Sichtung und Beurteilung der zurückgeschickten Produkte.
Was passiert mit den Retouren?
Laut einer Untersuchung der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Universität Bamberg von 2018 kann nur ein Teil der Retouren noch regulär verkauft werden:
- Direkter Wiederverkauf als A-Ware (79,0 %)
- Wiederverkauf als B-Ware (13,0 %)
- Entsorgung/Verschrottung (3,9 %)
- Verkauf an externe industrielle Verwerter (2,1 %)
- Spenden an gemeinnützige Organisationen (0,9 %)
- Sonstiges (1,1 %)
Nach Erkenntnis der Forscher:innen landen also rund vier Prozent der zurückgeschickten Artikel im Müll – zum Teil, weil sie defekt sind und sich nicht mehr aufbereiten lassen (bei 12,5 Millionen Artikeln der Fall) oder weil die Marken- und Patentinhaber:innen die Vernichtung vorschreiben. Das betrifft etwa 1 Million Artikel.
Spenden ist teurer als Entsorgen
Expert:innen schätzen, dass es bei knapp 40 Prozent der retournierten Produkte, die bislang als Müll entsorgt werden, zumindest theoretisch möglich wäre, dass der Handel die Ware spendet, sofern sich ein Empfänger dafür findet. Das betrifft 7,5 Millionen Artikel pro Jahr. Vor allem kleine Händler:innen geben jedoch an, dass es für sie zu aufwendig wäre, eine geeignete Spendenorganisation auszuwählen.
Außerdem ist es in der Regel so, dass das Spenden in Deutschland teurer ist als die Entsorgung, da bei solchen Sachspenden Umsatzsteuer auf die Produkte fällig wird. Für ein vernichtetes Produkt fällt in Deutschland keine Umsatzsteuer an. Dass neuwertige Produkte vernichtet werden, kommt übrigens natürlich nicht nur beim Online- sondern auch im stationären Handel vor.
Neues Gesetz gegen Retourenvernichtung
Seit 2020 nimmt die Bundesregierung den Handel stärker in die Pflicht: Mit einer Gesetzesänderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, die Recycling und Müllvermeidung fördern soll. Dabei geht es besonders um Kleidung und Elektroartikel, aber auch um Lebensmittel.
Ein klares Vernichtungsverbot für neuwertige Ware gibt es nicht, aber Hersteller:innen und Händler:innen müssen jetzt transparent darüber berichten, was mit überschüssigen Produkten geschieht. Die Verordnung, die die genaue Umsetzung des Gesetzes regeln soll, ist allerdings bislang noch nicht ausformuliert.
Der Handel klagt, die neuen Berichtspflichten würden "zusätzliche und nutzlose bürokratische Hürden" bedeuten. Und das Problem der Kosten für Spenden ist weiterhin nicht geklärt. "Wenn es die Bundesregierung mit der Nachhaltigkeit im Handel ernst meint, sollte die Umsatzsteuer für diese Spenden schnell abgeschafft werden", forderte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder 2020.
Ein Umdenken hat begonnen
Aber auch die Verbraucher überdenken ihr Verhalten. Laut einer Bitkom-Studie von 2020 schicken 57 Prozent der Onlineshopper:innen aufgrund der Debatte über den Klimawandel mittlerweile weniger Waren zurück. Gemaßregelt oder erzogen werden wollen die Kunden dabei aber anscheinend nicht: So gab es Beschwerden in den sozialen Medien, als der Modehändler Zalando probeweise Kunden anschrieb, die neun von zehn Artikeln zurückgeschickt hatten. Das fanden die Shopper:innen unfreundlich. Dabei suchte das Unternehmen bloß Unterstützung bei der Vermeidung von Retouren.
Online-Boom während der Pandemie
Allen Initiativen zum Trotz nimmt die Masse an Retouren (noch) nicht ab, sondern zu. Daran hatte auch die Corona-Pandemie ihren Anteil, weil in dieser Zeit verstärkt online geshoppt wurde. Eine neue Umfrage der Forschungsgruppe Retourenmanagement ergab, dass der Handel von März bis einschließlich August 2020 17,4 Prozent mehr Sendungen verschickte als im Vorjahreszeitraum.
Insgesamt hat sich dabei zwar die Retourenquote von 17,8 Prozent auf 15,9 Prozent reduziert. Durch die erhöhte Anzahl der Bestellungen ist die absolute Anzahl aber erneut angestiegen. Auf Basis der erhobenen Daten ergab sich für 2020 eine vorläufige Schätzung von 315 Millionen Retourenpaketen. 2019 waren es 301 Millionen Retourenpakete.
"JENKE. Das Shopping-Experiment: Macht Kaufen wirklich glücklich?" – Montag, 30. August 2021, um 20:15 Uhr auf ProSieben und auf Joyn