Psychologie
Türrahmen-Effekt: Deshalb vergessen wir Dinge, wenn wir durch Türen gehen
- Aktualisiert: 07.07.2024
- 04:03 Uhr
- Bianca Leppert
Gerade hat man noch daran gedacht – und im nächsten Moment ist alles vergessen. Keine Sorge, das ist keine Demenz, sondern der Türschwellen- oder Türrahmen-Effekt. Was das ist und wie Vergessen und Erinnern überhaupt funktioniert.
Türrahmen-Effekt: Das Wichtigste in Kürze
Kennst du das? Du gehst vom Wohnzimmer in die Küche und hast plötzlich vergessen, was du eigentlich in der Küche wolltest? Damit bist du nicht allein.
Du musst dir auch keine Sorgen machen, dass du vergesslich wirst oder Demenz droht. Denn dieses Phänomen ist völlig normal und nennt sich Türrahmen-Effekt.
Sobald du durch eine Tür gehst und einen neuen Raum betrittst, ist das für dein Gehirn wie eine Grenze, die du überschreitest. Deshalb sortiert es deine Erinnerungen neu und stößt das Vergessen an. Das ist sogar wissenschaftlich bewiesen.
Was ist der Türrahmen-Effekt?
Der Türrahmen-Effekt klingt ein bisschen wie eine absurde Erklärung für etwas, das man sich sonst nicht erklären kann. Dabei spielt uns das Gehirn tatsächlich einen Streich. Das hast du sicher schon selbst erlebt. Entweder beim Gang von einem Raum in den nächsten, wo du dich fragst, was du hier eigentlich erledigen wolltest.
In diesen Fällen kommt es sozusagen zu einer Mini-Amnesie. Das ist sogar wissenschaftlich belegt. Der Grund dafür: Für unser Gehirn wird immer wenn etwas Neues passiert, das Alte nicht mehr so wichtig und vergessen. Der Übertritt in einen anderen Raum oder die Unterbrechung in einem Gespräch sind solche neuen Ereignisse. Die alte Information wird verdrängt, um Platz für die neue Information zu schaffen.
Dieses Vergessen ist eine sehr nützliche Funktion unseres Gehirns, denn ohne Vergessen würden wir uns an alles erinnern – etwa wie viele Treppenstufen du am Donnerstag vor zwei Wochen gestiegen bist. Das Gehirn siebt aber zwischen Unwichtig und Wichtig aus.
Was sagt die Wissenschaft zum Türrahmen-Effekt?
Der Forscher, der sich dabei am meisten mit dem Phänomen auseinandersetzte, ist der Psychologe Gabriel Radvansky von der US-amerikanischen University of Notre Dame. Er veröffentlichte Ergebnisse seiner Experimente im Jahr 2011 im Quarterly Journal of Experimental Psychology.
Dabei schickten die Forschenden die Probanden in einem Computerspiel durch verschiedene Zimmer. Auf Tischen lagen Objekte, die sie mitnehmen konnten, aber nicht mehr sahen, wenn sie einmal in der Hand waren. Immer wieder wurden sie gefragt, welches Objekt sie gerade dabei haben. Waren sie soeben durch eine Tür getreten, konnten sie sich schlechter erinnern als noch im Raum – obwohl alles nur virtuell war. Das Experiment wurde in realen Zimmern wiederholt und die Forscher:innen kamen zum selben Ergebnis.
Die Erklärung: Unser Gehirn speichert Informationen wie in einzelnen Kapiteln. Beginnt ein neues Kapitel wie vom Übertritt von einem Raum zum nächsten, wird die vorherige Information aussortiert.
Was lässt sich gegen den Türrahmen-Effekt tun?
Leider nicht viel. Die Experimente haben gezeigt, dass auch das Zurückgehen in den jeweiligen Raum den Gedanken nicht zurückholen kann. Deshalb lieber entspannen und darauf bauen, dass der Gedanke irgendwann wieder von alleine auftaucht.
Verschiedene Räume in unserem Kopf können im Gegensatz zum Türschwellen-Effekt aber auch nützlich sein. So gibt es zum Beispiel das Gedächtnistraining mithilfe des sogenannten Gedächtnispalasts, in dem man imaginär verschiedene Fakten in verschiedenen Räumen eines Hauses abspeichert.
Vergessen: Warum es so wichtig ist
Etwas zu vergessen, klingt erstmal nach einer negativen Eigenschaft. Dabei ist es für die Funktion unseres Gehirns sehr wichtig, auch Dinge vergessen zu können. Schließlich besteht unser Leben ständig aus Veränderung. So schafft sich das Gehirn Platz für Neues, sortiert aus und schützt sich vor zu viel Wissen. Das passiert aktiv. Es werden also Informationen überschrieben. Es hilft, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen und sich besser zu erinnern.
Es gibt aber auch das seltene Phänomen, dass Menschen sich an jedes noch so kleine autobiografische Detail in ihrem Leben erinnern können. Wissenschaftler:innen bezeichnen es als das hyperthymestische Syndrom (HSAM), wovon etwa 60 Personen auf der ganzen Welt betroffen sind. Sie leiden oft darunter, dass ihre Entscheidungsfähigkeit dadurch beeinflusst ist.
Wie funktioniert Erinnerung und Vergessen?
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen verschiedenen Formen des Gedächtnis.
Kurzzeitgedächtnis: Hier werden alle Informationen nur für wenige Sekunden abgelegt. Man geht von 20 bis 45 Sekunden aus.
Langzeitgedächtnis: Haben es Erinnerungen in unser Langzeitgedächtnis geschafft, bleiben sie dort jahrelang erhalten. Man unterscheidet zwischen:
- Deklaratives Gedächtnis
Es besteht aus Erinnerungen an Ereignisse und Fakten, die wir bewusst gesammelt haben. Das können Informationen zur eigenen Biographie sein oder allgemeines Faktenwissen wie die Hauptstadt von Frankreich oder ein Kochrezept. - Prozedurales Gedächtnis
Was hier hinterlegt ist, benötigen wir für automatische Abläufe, ohne nachzudenken. Dazu zählen zum Beispiel Fahrrad fahren oder Schwimmen oder das Spielen eines Musikinstruments. Einmal gelernt, verliert man diese Fähigkeiten nicht, weil sie zu einer Art Automatismus werden.