Fossiler Energie-Träger
Wie entsteht eigentlich Erdgas?
- Veröffentlicht: 25.04.2024
- 15:00 Uhr
- Peter Michael Schneider
Erdgas: Für viele ist es zu teuer geworden, anderen wollen es loswerden - doch ohne geht es bisher nicht. Doch wie und wo entsteht der umstrittene Energieträger in der Erde? Und wie kommt er an die Oberfläche? Was hinter dem flüchtigen Gold steckt.
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Das Wichtigste in Kürze
Gas kommt aus dem Herd wie Strom aus der Steckdose. Doch tatsächlich hat es eine Millionen Jahre alte Geschichte und einen kilometerlangen Weg aus der Erde hinter sich.
Erdgas ist weitgehend ein Naturprodukt. Es findet sich meistens in Tausenden Metern Tiefe gefangen von undurchlässigen Erdschichten.
Erdgas besteht häufig zu über 90 Prozent aus Methan, der kleinsten Verbindung von Kohlenstoff und Wasserstoff. Dazu kommen verwandten Gase wie etwa Propan.
Auch in Deutschland gibt es großen Mengen Erdgas, tief begraben unter Sedimenten in Niedersachsen. 2021 wurde über fünf Milliarden Kubikmeter gefördert.
Inhalt
Dafür wird Erdgas verwendet
Fast 60 Milliarden Kubikmeter Naturgas verbraucht Deutschland bisher jährlich. Damit werden vor allem Häuser beheizt. Ein weiterer Teil wird in Gaskraftwerken (wie hier im niederländischen Eemshaven) in Strom umgesetzt, wenn Kohlekraftwerke (rechts im Bild) und alternative Energieerzeuger wie Windräder bei besonders hohem Bedarf nicht mehr hinterherkommen. Außerdem ist es ein wichtiger Energieträger in vielen industriellen Prozessen, bei denen hohe Temperaturen gefragt sind.
Grafik: So entsteht Erdgas
🌊 Erdgas ist steinalt. Seine Ursprünge liegen in Flachmeeren, die zum Teil vor mehr als 200 Millionen Jahren über weite Teile der Kontinente schwappten.
🦐 Eine typische Erdgasgeschichte beginnt damit, dass Kleinst-Organismen wie Algen und Plankton sterben und zusammen mit Tonmineralen aus den Flüssen auf den Meeresboden sinken (daher der Name "fossiler Energieträger"). Da es in manchen Meeren am Grund häufig kaum oder kein Sauerstoff gibt, werden ihre Reste kaum zersetzt.
💩 Über die Jahrmillionen sinkt diese faulige Mischung immer mehr in die Tiefe, wo es immer heißer wird. Ab 50 Grad Celsius entsteht dabei ein feinkörniger Tonstein mit reichlich eingeschlossenem organischem Material. Die "Muttergestein" genannte Backmischung für Erdgas ist zubereitet.
♨️ Sinkt das Gestein in Tiefen von bis zu sechs Kilometer, beginnt die eigentliche Gaswerdung. Denn für ein gelungenes Erdgas braucht es viel Druck und eine Temperatur von 120 bis 180 Grad. Erst dann kann die Hitze langkettige Kohlenstoff-, Fett- und Kohlenhydrat-Moleküle in kurze Einzelteile wie Methan zerlegen.
🚶♂️ Der zunehmende Gesteinsdruck in der Tiefe presst schließlich die Poren des Muttergesteins mit dem Erdgas darin zusammen. Das leichte Gas beginnt dann, langsam in darüberliegende und poröse Gesteinsschichten zu wandern.
✋ Wenn das feinverteilte Erdgas schließlich an einer undurchlässigen Schicht aus Steinsalz oder feinen Tonsteinen hängen bleibt - eine geologische Falle, entsteht eine Erdgaslagerstätte.
Bildergalerie: So formt sich über Millionen Jahre Erdgas
Erdgas Schritt für Schritt erklärt
Erdgas kommt so gut wie immer zusammen mit Erdöl vor, denn das "flüssige Gold" hat den gleichen Ursprung wie Erdgas und durchläuft ähnliche Prozesse. Es braucht allerdings nur Temperaturen ab etwa 70 Grad Celsius und etwa 2000 Meter Tiefe, damit sich die organischen Bestandteile zu Erdöl umwandeln. Hier erfährst du alles zur Entstehung von Erdöl.
So wird Erdgas gefunden und gefördert
🔭 Mit Hilfe von seismischen Messungen zeichnen Geolog:innen zunächst ein dreidimensionales Bild des Untergrunds, um Gas-verdächtige Gesteinsschichten auszumachen.
🧀 Um die Ergiebigkeit einer Gaslager-Stätte abzuschätzen, braucht es allerdings einen direkten Blick in die Erde. Norddeutschland wurde beispielsweise daher in den 70er-Jahren mit Probebohrungen durchlöchert wie ein Schweizer Käse.
🕳️ Um Gas zu fördern muss man häufig bis zu 5000 Meter bohren, manchmal sogar noch tiefer. Bohrlöcher werden dabei in der Tiefe immer dünner. An der Oberfläche sind sie häufig 70 Zentimeter breit, unten nur noch etwa zehn. Das Loch wird mit Stahl ausgekleidet. Förderlöcher sind am unteren Teil perforiert, damit das Erdgas vom Gestein ins Rohr eindringen kann.
🚿 Weil auf den Erdgaslager-Stätten sich das Gestein Kilometer hoch türmt, steht es unter Druck - bis zu 600 bar. Ist eine Gaslager-Stätte erst mal angebohrt, strömt das Gas daher ganz alleine an die Oberfläche.
🗼 Siehst du an einen Turm, wird noch gebohrt. Für die Gasförderung wird er überflüssig. Übrig bleibt meist ein etwa Fußballfeld-großer Förderplatz mit einer Menge Leitungen, häufig mitten in der Landschaft.
Bildergalerie: Wenn Erdgas an die Oberfläche dringt
Wenn Erdgas bis an die Oberfläche dringt
Spannende Fakten zu Gas
- … dass auch Kohle große Mengen Gas enthalten? Es ist den Kohlekumpel als gefährliches Grubengas bekannt.
- … dass riesige Gas-Mengen als Hydrat an den Rändern der Kontinente im eiskalten Meeresboden liegen? Dabei ergibt ein Kubikmeter Gashydrat 164 Kubikmeter gasförmiges Erdgas.
- ... dass Erdgas mehrere Prozent Helium enthalten kann? Das wertvolle Edelgas stammt aus dem Zerfall radioaktiver Elemente. Da es genauso genauso flüchtig ist wie Methan, wandert es durch poröse Gesteine, bis es nicht mehr weiterkommt und sich daher zusammen mit Erdgas anreichert.
- ... dass sich die mitunter jüngsten Erdgas-Vorkommen in Oberbayern und Österreich befinden? Sie sind "nur" 20 Million Jahre alt.
- ... dass die US-Stadt Pittsburgh 1884 die erste Stadt war, die per Pipeline mit Gas versorgt wurde
Ist Erdgas schlecht für die Umwelt?
Zwar gilt Erdgas als der sauberste unter den fossilen Energieträgern. Aber: Auch bei seiner Verbrennung entsteht das Treibhausgas Kohlendioxid.
In den vergangenen Jahren ist zudem auch eine der Methoden umstritten, mit der Erdgas aus Gesteinen gefördert wird, in denen es nur feinverteilt vorliegt: das Fracking. Dabei werden unter großem Druck Flüssigkeiten in den Untergrund gepresst. So wird das Speichergestein aufgebrochen, damit das Gas besser seinen Weg an die Oberfläche findet. Problem: Das gefährdet nicht nur das Grundwasser, sondern erhöht auch das Risiko künstlicher Erdbeben.
Zudem fallen bei der Gewinnung und Reinigung von Erdöl und Erdgas weltweit Millionen Tonnen radioaktiver Substanzen an. Problem: Häufig werden die teilweise Radium- und Polonium-haltigen Abfälle auf normalen Deponien entsorgt oder im Meer verklappt.
Erdgas aus dem Meer
Da erdgasführende Schichten oft weit unter Flachmeere wie die Nordsee reichen, wird auch offshore gesucht und gefördert wie hier auf der Mittelplate. Erschreckend: In vielen Ländern und auf Bohr-Plattformen auf dem Meer wird das bei der Erdölförderung anfallende Erdgas nutzlos abgefackelt, weil es sich mehr lohnt, nur das Erdöl zu fördern und zu verkaufen.